"Vater der Medienkunst" und Visionär des elektronischen Zeitalters
Biografie
📌 Geboren: 1932, Seoul, Südkorea
📌 Gestorben: 2006, Miami Beach, USA
Studium & Anfänge:
Studierte Musik, Philosophie & Kunstgeschichte in Tokio, München und Freiburg. Zusammenarbeit mit Karlheinz Stockhausen. Teilnahme an Ferienkursen in Darmstadt führte zum Eintritt in die Avantgarde.
Fluxus & Handeln:
In den 60er-Jahren prägende Figur der Fluxus-Bewegung (mit Joseph Beuys, George Maciunas). Übertrug dabei in seinen Werken musikalische Prinzipien auf die Bildende Kunst.
Lehrtätigkeit:
1979–1996 an der Kunstakademie Düsseldorf
Paik war fasziniert vom Dialog zwischen Mensch, Maschine und Kultur. Er nutzte Fernseher als künstlerisches Material und experimentierte früh mit Satellitenübertragungen, um globale Kunstprojekte zu realisieren. Seine größte Installation, geschaffen zur Olympiade 1988 in Seoul, bestand aus 1003 Bildschirmen.
Für sein Lebenswerk wurde er mit zahlreichen renommierten Preisen ausgezeichnet, darunter der Goslaer Kaiserring, die UNESCO Picasso-Medaille und die Goethe-Medaille.
"Ich werde glücklich, wenn man sich daran erinnert, dass Ich etwas
Unsinn ins amerikanische Fernsehen gebracht habe."
Außerdem, prägte Paik in den 1970er-Jahren den Begriff „Electronic Superhighway“ als Vision eines weltweiten Netzwerks aus elektronischer Kommunikation – lange vor dem Internet. Er sah in Medien wie Fernsehen und Video ein neues Verkehrsnetz für Informationen, Kultur und Identität. In seiner Installation „Electronic Superhighway: Continental U.S., Alaska, Hawaii“ (1995) visualisierte er diese Idee mit 336 flimmernden Bildschirmen und Neonumrissen der US-Staaten. Paik verband Technikbegeisterung mit Medienkritik: Bilderflut, Informationsüberladung und kulturelle Vielfalt treffen aufeinander. Seine Vision ist heute Realität – und bleibt aktueller denn je.
Bekannte Werke
TV Cello (1976)
Sammlung: John Kaldor Family Collection, Australien (derzeit nicht ausgestellt)
🎨 Medium: Skulptur, Zeitbasierte Kunst
📺 Materialien: Acryl, Holz, Bassgitarrensaiten, drei CRT-Monitore, VHS (digitalisiert), s/w, stumm
📐 Maße: Gesamt: 170 × 92 × 95 cm
Cello: 142 × 46.5 × 52 cm
Sockel: 40 × 92 × 95 cm
Hintergrund & Kontext:
TV Cello wurde 1976 von Nam June Paik in Zusammenarbeit mit der Cellistin Charlotte Moorman für ein Kaldor Public Art Project in Australien geschaffen. Das Werk ist eine Synthese aus Musik, Skulptur und Video – ein ikonisches Beispiel dafür, wie Paik Technologie nicht nur als Medium, sondern als integralen Bestandteil künstlerischen Ausdrucks nutzte.
Die "Cello"-Struktur besteht aus drei entkernten Fernsehern, über die Basssaiten gespannt sind. Die TVs dienen nicht mehr der passiven Rezeption, sondern werden zu einem interaktiven Klangkörper – einem performativen Objekt, das Moorman tatsächlich spielte.
Es vereint auf faszinierende Weise alte und neue Medien: Das klassische Instrument (Cello) verschmilzt mit der damals modernsten Technologie (Fernsehbildröhre). Gleichzeitig wird es durch analoge Videobänder gespeist – ein poetischer Hinweis auf die Flüchtigkeit von Zeit und Bild.
Was mich besonders fasziniert, ist die Art, wie Paik den Fernseher entmachtet: Er wird geöffnet, manipuliert, umgebaut – entzieht sich seiner herkömmlichen Funktion und wird so selbst Teil der Performance. Statt uns zu berieseln, fordert er uns auf, Teil des Erlebens zu werden.
Auch das Konzept der Feedback-Schleife, das Paik in Werken wie TV Buddha erforschte, findet sich hier in anderer Form wieder: Ton, Bild und Objekt treten in Dialog, lösen sich aber auch gegenseitig auf. Wo endet das Cello, wo beginnt das Bild?
Besonders in den heutigen Zeiten von AI-generierten Bildern und Ästhetiken erinnert mich „TV Cello“ daran, wie wichtig es ist, bewusst mit Medien umzugehen – und sie nicht nur als Werkzeuge, sondern als Mitspieler zu begreifen. „Der Künstler des 21. Jahrhunderts wird ein Programmierer sein“, sagte Paik einst.
Aber vielleicht war er selbst schon der erste – mit einem Cello aus Licht und Strom.
Quellen:
Nam June Paik | ZKM (Letzter Zugriff 21.04.2025)
Charlotte Moorman performs with Paik's 'TV cello' (Letzter Zugriff 21.04.2025)
Bild-Quellen:
Nam June Paik - Nam June Paik Portrait
TV-Cello - OIP.CJN86S8zTdpfESFIN_jG8wAAAA (241×341)
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