(Unbenotete) Praxisaufgabe: 

Veröffentlicht am 18. Juli 2025 um 18:25

In welchen Alltagsphänomenen/ alltagsästhetischen Erfahrungen werden Aspekte von (Post-)Digitalität für Sie evident?

Finden Sie eine Möglichkeit, dies zu dokumentieren und im kleinen Rahmen widerspenstig/subversiv/experimentell zu (re-)agieren.


Die Renovierung meines Jugendzimmers in ein Atelier hat mich auf eine ungewöhnliche Spur geführt:
Ich habe den Raum in The Sims 4 digital nachgebautund den realen Raum durch Fotobearbeitung verändert erscheinen lassen.

Digitale Nachbauten in The Sims 4

Denn ich spiele sehr gerne das Videospiel The Sims 4.  Insbesondere das Gestalten von Sims und das Bauen ihrer Umgebung oder von anderen Gebäuden inspiriert mich total. Dabei nutze ich immer wieder auch die Galerie-Funktion des Spiels: Dort können SpielerInnen ihre erstellten Sims, Haustiere oder Häuser hochladen und mit anderen teilen.

Dabei ist mir aufgefallen, dass es dort eine große Zahl an Nachstellungen gibt von berühmten Personen, ikonische Figuren aus allen möglichen Medien oder sogar bekannte Bauwerke. Sie werden dort immer wieder, mehr oder weniger detailreich, digital reproduziert. Hier entsteht eine deutliche Schnittstelle zwischen realer Welt und digitaler Welt, die nicht nur die Kreativität der Community, sondern auch den fließenden Übergang von Simulation und Realität sichtbar macht.

Aus dieser Beobachtung heraus kam ich auf die Idee, Sims 4 auch für meine eigenen Zwecke zu nutzen. So habe ich mein momentanes Zimmer, das ich in ein Atelier für mich umgestalten möchte, digital im Spiel nachgebaut.

Dadurch konnte ich im Virtuellen mit Tapeten, Farben und Möbeln experimentieren, wofür ich im Realen aufwendige Veränderungen vornehmen müsste. Digitale Werkzeuge ermöglichen es also, Gestaltungsideen zu testen, die analog viel Arbeit, Zeit und Geld kosten würden.

Allerdings ist die Darstellung natürlich beschränkt durch die Angebote und EInstellungsmöglichkeiten, die das Spiel hergibt. Beispielsweise hat mein Zimmer einige Dachschrägen  oder auch einen hervorstehenden Pfeiler in einer Ecke des Raumes - Details, die sich in The Sims 4 nicht originalgetreu abbilden lassen. Genau in dieser Lücke zwischen digitalem Entwurf und realer Umsetzung wird für mich ein postdigitales Moment erfahrbar.

Außerdem, ist die Darstellung begrenzt durch die vorgegebenen Auswahlmöglichkeiten für Tapeten oder Möbel. Zwar gibt es bestimmte Cheats und Wege mehr Optionen freizuschalten, dennoch verfolgt das Spiel darin einen stark kapitalistischen Ansatz, in dem man für Erweiterungspacks, die so etwas wie Waschmaschinen oder Heizungen etc. in das Spiel bringen, bezahlen müsste.

 

Dennoch finde ich, das Nutzen von Videospielen um eine räumliche Vorstellung zu vermitteln, eine interessante Idee. Diese ließe sich auch im Kunstunterricht einbinden.


Fotobearbeitete Darstellung des Raumes

Als ich im leeren Zimmer stand, kam mir noch eine andere Idee: Wie praktisch es wäre, wenn man durch Augmented Reality direkt an der Wand die geplante Tapete oder ein Kunstwerk erscheinen lassen könnte. Da mir diese Technologie nicht zur Verfügung steht, habe ich einen alternativen, niedrigschwelligen Weg gewählt:

Mithilfe der Software ClipStudioPaint bearbeitete ich ein Foto meines Zimmers und setzte virtuell neue Tapete in den Raum. Dadurch konnte ich einige Gestaltungsideen erproben, bevor ich das in echt umsetzen würde.

Im nachfolgenden habe ich dies dokumentiert.

Ich möchte nur eine Wand in meinem Zimmer andersfarbig gestalten, deswegen habe ich sie hier, nachdem ich die vorherige Tapete beseitigt habe, fotografiert.

Dies ist die Ausgewählte Tapete.

Bevor ich die Tapete ansehen wollte, habe ich die Fläche einmal in einem einfarbigen Ton sehen wollen und digital den Fußboden, den wir später nutzen wollen, eingesetzt. Dabei musste ich darauf achten feste Bestandteile der Umgebung des Fotos aus den Flächen auszuschneiden.

Danach habe ich das Beispielfoto der Tapete ausgeschnitten und  so aneinander gesetzt, dass es die ganze Wand bedeckt. Dabei war eine Herausforderung das Muster auf die richtige Größe zu skalieren und die einzelnen Abschnitte wie im Realen zusammen zu setzen.

Für mich stellte sich nämlich die Frage, ob ich diese Tapete über die ganze Wand anbringen möchte, oder nur bis zur Tür, da die andere Ecke ohnehin von einem Schrank verdeckt werden wird. Außerdem ist der Raum recht klein, sodass allzu dunkle Wände nicht gut zur Wirkung kommen würden.

 

Insgesamt hat mir die digitale Bearbeitung meines Zimmers mit ClipStudioPaint gezeigt, wie hilfreich solche Tools im kreativen Gestaltungsprozess sein können. Ich konnte verschiedene Varianten ausprobieren, ohne Materialkosten oder großen Aufwand zu riskieren, und mir dadurch ein realistischeres Bild davon machen, wie Farben, Muster und der neue Fußboden zusammenwirken. Besonders spannend war es, über praktische Fragen – wie die Größe des Musters, die Wirkung dunkler Farben oder die Positionierung der Tapete – bereits im digitalen Vorfeld nachzudenken.

Gleichzeitig wurde auch deutlich, dass solche Simulationen immer nur Annäherungen sind: Atmosphäre, Lichteinfall und räumliche Tiefe lassen sich digital nur bedingt einfangen. Dennoch eröffnet die Arbeit mit Fotobearbeitung einen experimentellen Raum, in dem Planung und künstlerisches Ausprobieren ineinandergreifen. Für mich ist diese Form der digitalen Intervention damit nicht nur ein funktionales Werkzeug, sondern auch eine kreative Erweiterung meines Blicks auf den Raum.


Bedeutung für den Unterricht

Die gewonnenen Erkenntnisse zeigen, dass digitale Werkzeuge wie The Sims 4 oder Fotobearbeitungsprogramme im Unterricht  als produktive Mittel zur ästhetischen Reflexion eingesetzt werden können. Indem SchülerInnen virtuelle Räume entwerfen, etwa ihr eigenes Traumzimmer, ein fiktives Museum oder einen Ausstellungsraum, üben sie sich in räumlichem Denken, Kreativität und medialer Ausdrucksfähigkeit. Gleichzeitig erfahren sie die Grenzen solcher Simulationen: Während in Spielen wie The Sims 4 bestimmte Strukturen oder Objekte nur eingeschränkt darstellbar sind, bietet Fotobearbeitung größere Freiheit, erfordert jedoch auch ein technisches Verständnis von Werkzeugen wie Ebenen, Masken oder Bildkomposition.

Durch die Kombination beider Ansätze entsteht ein vielschichtiger Lernprozess: Einerseits das kreative Arbeiten mit vorgegebenen Systemen, die spielerisch neue Ideen anregen, andererseits das experimentelle Eingreifen in reale Bildmaterialien, das die SchülerInnen stärker zur kritischen Auseinandersetzung mit digitaler Darstellung und Manipulation zwingt. Damit lassen sich nicht nur technische Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien aufbauen, sondern auch ästhetische Sensibilität und visuelles Vorstellungsvermögen fördern.

Darüber hinaus regen solche Aufgaben zur Diskussion über Architektur, Design und Alltagsästhetik an und machen erfahrbar, wie digitale Simulationen unsere Wahrnehmung von Raum und Gestaltung prägen. In diesem Sinne tragen die Übungen nicht nur zur Medienkompetenz bei, sondern schaffen auch einen Raum für kreative Selbstverwirklichung und kritische Reflexion – zentrale Elemente zeitgemäßer Kunst- und Medienbildung.

 

Beispiel für die Anwendung im Unterricht

Die Grundidee ist es, den SchülerInnen die Möglichkeit zu geben, ihren persönlichen Lebens- oder Vorstellungsraum kreativ und experimentell zu gestalten. Das „Traumzimmer“ dient dabei als niedrigschwelliger, motivierender Ausgangspunkt: Jeder kann sich ein ideales Zimmer vorstellen, unabhängig von Vorwissen in Kunst oder Architektur. Gleichzeitig öffnet das Projekt ein breites Feld für gestalterische Entscheidungen – von Farbkonzepten über Möbel bis hin zu symbolischen oder utopischen Ideen.

Ziel: SchülerInnen entwickeln eigene Raumkonzepte und setzen sich zugleich mit den Möglichkeiten und Grenzen digitaler Gestaltung auseinander. Sie entwerfen ihre Traumzimmer, und üben sich dabei sowohl in räumlichem Denken als auch im kreativen Umgang mit digitalen Werkzeugen.

Methode: Zwei Ansätze können hier parallel oder aufeinander aufbauend genutzt werden:

  • Mit The Sims 4 oder ähnlichen Simulationsspielen gestalten SchülerInnen virtuelle Räume, probieren Möbel, Farben und Strukturen aus und präsentieren ihre Ergebnisse.

  • Ergänzend bearbeiten sie Fotos eigener Räume oder öffentlicher Orte mit Bildbearbeitungsprogrammen, indem sie Tapeten, Objekte oder Kunstwerke virtuell einsetzen. So erfahren sie unterschiedliche Wege digitaler Raumgestaltung – einmal über vorgegebene Spielsysteme, einmal über freie Fotomanipulation.

Didaktischer Mehrwert:

  • Durch das digitale Bauen im Spiel erleben die SchülerInnen spielerisch, wie Proportionen, Farbflächen und Einrichtungsgegenstände die Raumwirkung verändern.

  • Durch die Fotobearbeitung werden sie stärker mit den Grenzen der Realität konfrontiert: Wie wirkt das Muster in einem echten Raum? Was passiert, wenn man ein Möbelstück digital platziert, das physisch kaum in die Nische passen würde?

  • Das Vergleichen beider Ansätze (Simulation vs. Fotomanipulation) eröffnet eine Diskussion über die Rolle von digitalen Medien in unserer Wahrnehmung von Realität: Was ist Projektion? Was ist realistisch umsetzbar? Und wo beginnt die künstlerische Freiheit?

Ergebnis und Reflexion:
Am Ende entstehen hybride Entwürfe, die nicht nur zeigen, wie das Traumzimmer aussehen könnte, sondern auch wie unterschiedlich digitale Tools Räume erfahrbar machen. Im Unterricht können die SchülerInnen ihre Arbeiten präsentieren und dabei über ihre gestalterischen Entscheidungen, über technische Herausforderungen und über die Wirkung digitaler Simulationen reflektieren.

Damit wird die Aufgabe mehr als eine Planungsübung: Sie wird zu einem Experimentierfeld für kreative Selbstverwirklichung, technische Kompetenz und kritische Medienreflexion.

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