Lauren Lee McCarthy ist eine international anerkannte Künstlerin, die soziale Beziehungen im Kontext von Automatisierung, Überwachung und algorithmischem Leben untersucht. Sie ist Just Tech Fellow (2024–26) und war 2022–23 Artist in Residence am Stanford Human Centered AI Institute.
Ihre Arbeiten wurden vielfach ausgezeichnet, darunter mit dem Ars Electronica Golden Nica, dem Japan Media Arts Social Impact Award und dem IDFA DocLab Award. McCarthy stellte international aus, u. a. sind ihre Werke in der Sammlung des Whitney Museum of American Art vertreten. Derzeit ist sie Professorin für Design Media Arts an der UCLA.
In ihrer künstlerischen Tätigkeit hinterfragt sie die technischen und sozialen Systeme, die unser Leben derzeit prägen, und erforscht, wie diese unseren Umgang miteinander verändern. Ihr Ziel ist es, Räume für Nähe, Selbstbestimmung und kritisches Bewusstsein in einer von Algorithmen geprägten Welt zu schaffen.
"What do you want to say to me?", 2021
In ihrem Projekt What do you want me to say? reagierte Lauren Lee McCarthy auf die Erschöpfung durch ständige Zoom-Meetings, indem sie einen digitalen Klon ihrer eigenen Stimme erschuf. Diese künstliche Stimme übernimmt stellvertretend für sie das Sprechen – und wird so zu einer Art „Stimm-Marionette“, mit der sie Dinge äußern kann, die sie zuvor nicht zu verkörpern vermochte. Dabei entsteht ein paradoxes Spannungsfeld zwischen Kontrolle und Kontrollabgabe: McCarthy gewinnt zwar durch die Selbstverfügung über ihre Stimme ein Gefühl von Macht zurück, während sie aber gleichzeitig Anderen die Möglichkeit gibt, diese Stimme zu steuern und somit Kontrolle abgibt.
Der Ablauf ist einfach: BesucherInnen treten der Arbeit bei und hören McCarthys Stimme, die fragt: „What do you want me to say?“ – Was soll ich sagen?. Vor dem Bildschirm, der die Aufforderung auch schriftlich zeigt, steht ein Mikrofon in das man rein sprechen kann. Jede verstandene Antwort wird dann von ihrer synthetischen Stimme wiederholt, bevor sie erneut fragt. So entsteht ein endloser, von den NutzerInnen getriebener Dialog, der sich aber eigentlich sehr einseitig anfühlt - fast wie ein Monolog.
Damit thematisiert das Werk Verletzlichkeit, Besitz und Authentizität in einer Zeit, in der virtuelle Realität und Sprach-KI rasant voranschreiten. McCarthy hinterfragt dabei insbesondere die Dynamiken, die entstehen, wenn femme-codierte, virtuelle AssistentInnen wie Alexa oder Siri von NutzerInnen und EntwicklerInnen befehligt werden. Durch die bewusste Freigabe ihrer Stimme stellt sie die Frage, wem Daten und Ausdrucksmittel gehören – und wie sich das Gefühl des Gehörtwerdens zwischen Echtheit und Missverständnis bewegt.
Dieses Spannungsfeld zwingt die Teilnehmenden, über ihre eigene Machtposition nachzudenken, aber auch darüber, wie sie selbst gegenüber KI-Systemen sprechen – und was sie von diesen erwarten. Damit gelingt McCarthy eine präzise, performative Untersuchung unseres Verhältnisses zu technologischer Vermittlung, Fremdbestimmung und der Sehnsucht nach authentischer Kommunikation.
Reflexion
Ich habe What do you want me to say? zunächst als sehr interessant und sogar ein wenig spielerisch erlebt. Es machte Spaß, einer fremden Stimme beliebige Wörter und Sätze in den Mund zu legen und so mit der Situation zu experimentieren. Die Maschine versuchte in der synthetischen Stimme unsere ursprüngliche Tonlage und den Sprachrhythmus nachzuahmen, klang dabei ja aber eindeutig anders,
sodass es in manchen Momenten ziemlich "uncanny" wirkte.
Erst als mich jemand darauf hinwies, dass am Bildschirm eine Kamera mit rot-leuchtendem Punkt befestigt war, änderte sich mein Erleben. Plötzlich stellte sich die Frage, ob ich gerade nur teilnahm oder auch beobachtet oder aufgezeichnet wurde. Dieses Bewusstsein führte sofort zu einer Verhaltensänderung bei mir – das spielende Erproben hörte eher auf und ich agierte verhaltener.
Gerade dieser Moment ist spannend, weil er zeigt, wie stark die Wahrnehmung von Beobachtung unser Handeln beeinflussen kann. Bei vielen KI-Assistenten wissen wir theoretisch, dass unsere Daten gespeichert, ausgewertet oder sogar weitergegeben werden, reagieren im Alltag jedoch oft kaum darauf. Das Kunstwerk macht diesen Effekt sichtbar: Erst die unmittelbare, physische Präsenz einer „Überwachung“ löst ein spürbares Umdenken aus – ein Hinweis darauf, wie abstrakt und weit entfernt uns digitale Datensammlung sonst erscheint, obwohl sie unser Verhalten genauso prägen könnte, und vielleicht auch sollte...
Weiterführendes
Ausstellung: What can I do for you? - Lauren Lee - hat mich Stilistisch und Farblich sehr an "What do you want me to say?" erinnert.
Neben ihrer künstlerischen Arbeit ist sie die Schöpferin der Open-Source-Plattform p5.js., die weltweit über fünf Millionen NutzerInnen hat und den Zugang zu Programmierung in Kunst und Bildung fördert und vereinfacht.
Vor einiger Zeit habe ich mich mit p5.js beschäftigt, wie hier zu sehen ist.
Quellen:
Info - Lauren Lee McCarthy (Letzter Zugriff: 12.08.2025)
Lauren Lee McCarthy – LAUREN | Frankfurter Kunstverein. (Letzter Zugriff: 12.08.2025)
What do you want me to say? - Lauren Lee McCarthy (Letzter Zugriff: 12.08.2025)
Bildquellen
1: Portait - Barak-Shrama-highres-day3-53-4K.jpg (2000×1333)
2: "What do you want to say to me?" - etwas-zwischen-uns-installation-shots-20-2430x1617.jpg (2430×1617)
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